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Interview: „Zukunftsfähig bleiben“

Allgemeine News

Der Verband der Sportvereine Südtirols (VSS) hat am 7. September einen erfolgreichen Workshop zum Thema „Nachhaltige Sportvereine und N!-Charta Sport“ veranstaltet. Der VSS konnte sich im Anschluss noch mit den Referentinnen Mag. Julia Wlasak von Move4Sustainability und Franziska Stader und Alina Fischer von Prognos AG, dem Europäischen Zentrum für Wirtschaftsforschung und Strategieberatung, unterhalten und das Thema Nachhaltigkeit weiter vertiefen.

VSS: Was bedeutet Nachhaltigkeit für Sie?
Franziska Stader und Alina Fischer:
Sich zu mehr Nachhaltigkeit zu verpflichten bedeutet, sich mit der eigenen Situation auseinanderzusetzen und dazu bereit zu sein, sich ganzheitlich weiterzuentwickeln. Dabei werden sowohl ökologische, soziale als auch ökonomische Aspekte berücksichtigt. Auf Sportvereine und -verbände übertragen bedeutet es, sich mit der Frage auseinanderzusetzen, wohin man sich als Organisation entwickeln will, und die Bereitschaft mitzubringen, in allen drei Bereichen zu wachsen und so zukunftsfähig zu bleiben.

Julia Wlasak: Nachhaltigkeit bedeutet für mich, gemeinsam, mit Teamwork, eine lebenswerte Zukunft verantwortungsvoll und aktiv mitzugestalten.

VSS: Wie kann die N!-Charta Sport den Vereinen helfen?
Stader und Fischer:
Die N!-Charta Sport kann Sportvereine und -verbände dabei unterstützen, nachhaltiger zu werden, ohne viel organisatorischen Aufwand betreiben zu müssen. Um den Aufwand möglichst gering zu halten, gibt es vorformulierte Leitsätze, auszufüllende Vorlagen und Unterstützungsmaterialien und -angebote. Dadurch können sich die Sportvereine und -verbände auf das Wesentliche konzentrieren und sich damit auseinandersetzen, welche ersten Schritte gegangen werden müssen, um als Verein oder Verband nachhaltiger zu werden. Sie picken sich im ersten Jahr drei Leitsätze heraus und entwickeln dazu ihre Ideen. Im nächsten Jahr können dann weitere Leitsätze angegangen werden oder die Ideen aus dem ersten Jahr weiterentwickelt werden. So kommt der Verein oder Verband Schritt für Schritt und Jahr für Jahr beim Thema Nachhaltigkeit immer weiter voran.

VSS: Wieso ist es wichtig, dass gerade Sportvereine auch auf die Nachhaltigkeit achten?
Wlasak:
Der Vereinssport ist nicht nur Verursacher, sondern auch Betroffener einer nicht-nachhaltigen Entwicklung. Die sportlichen Aktivitäten und Infrastrukturen beanspruchen Natur und Ressourcen, und die Auswirkungen der Klimakrise verändern Rahmenbedingungen für Sportvereine bereits jetzt schon. Sportvereine sind dagegen aber auch prägende gesellschaftliche Orte für Personen aller Altersgruppen und vielfältiger Hintergründe. Beim Vereinssport wird eine Vielzahl von Kompetenzen gefördert. Das lebensbegleitende, lösungsorienterte Lernen, die Freiwilligkeit und der Spaßfaktor machen den Sportverein zu einem bereichernden Ort, um Nachhaltigkeitsthemen aufzugreifen und angehen zu können.

VSS: Was war der Auslöser für die Entwicklung der N!-Charta Sport?
Stader und Fischer:
Mit der WIN-Charta gibt es in Baden-Württemberg schon lange ein System, mit dem sich Unternehmen zu mehr Nachhaltigkeit verpflichten können. Bald zeigte sich, dass viele Sportvereine und -verbände einen eigenen Antrieb haben, das Thema anzugehen, aber oft die zeitlichen Ressourcen fehlen, um eine eigene Nachhaltigkeitsstrategie mit eigenen Leitsätzen und einem eigenen Zielsystem zu entwickeln. Für den Sportbereich gab es seitens des Landes Baden-Württemberg und des Landessportbundes Baden-Württemberg bereits einen Wettbewerb für Sportfachverbände, eine Broschüre mit Best-Practice-Beispielen, sowie einen Kongress zum Thema, aber noch kein Instrument, das Sportvereine längerfristig im Bereich Nachhaltigkeit unterstützt. Ziel war es, mit Hilfe der N!-Charta Sport für alle Sportvereine – klein, mittel, groß – ein niederschwelliges Nachhaltigkeitsmanagement zu entwickeln, so dass nicht jeder Verein seine eigene Strategie definieren muss. Dabei hat man sich die WIN-Charta zum Vorbild genommen. Dass Sportverbände auch unterschreiben können, kam erst im Laufe des Prozesses „ins Rollen“.

VSS: Welche Vorteile sehen Sie in einem konkreten Nachhaltigkeitsmanagement für die Vereine?
Wlasak:
Möchten Sportvereine „nachhaltiger“ werden, kann dies im breiten Feld der Nachhaltigkeit schnell überfordern oder der Überblick darüber verloren werden, was für die Organisation überhaupt „Sinn macht“. Mit einem konkreten Nachhaltigkeitsmanagement können aufbauend auf der Ermittlung des aktuellen Ist-Zustandes, unter Abwägung von Chancen und Risiken sowie Einbeziehung der Interessensgruppen die wichtigsten Stellschrauben ermittelt werden, um sich strategisch und organisiert nachhaltig weiterzuentwickeln. Dabei gilt es, selbstkritisch zu sein, aber unbedingt auch Erfolge zu dokumentieren.

VSS: Haben Sie einige Beispiele von erfolgreichen Nachhaltigkeitsaktionen?
Stader und Fischer:
Je nach Größe und Kapazitäten des Vereins oder Verbands ist hier vieles vorstellbar. Die Unterzeichnerinnen und Unterzeichner der N!-Charta Sport haben bspw. Integrationsturniere veranstaltet, Kinderkleiderbasare ausgerichtet oder Müllsammelaktionen durchgeführt. Hier sind der Fantasie keine Grenzen gesetzt. Oft entwickeln sich die Nachhaltigkeitsaktionen der N!-Charta Sport Unterzeichnerinnen und Unterzeichner auch zu längerfristigen Projekten, die von anderen Akteurinnen und Akteuren aufgegriffen werden und so noch breiter wirken.

VSS: Welche Werte können die Sportvereine mit Nachhaltigkeitsaktionen vermitteln?
Wlasak:
Sportvereine können mit einem Nachhaltigkeitsmanagement zeigen, dass sie Verantwortung für soziale und ökologische Herausforderungen übernehmen. Ist das Leitbild Nachhaltigkeit im Verein nicht nur eine leere „Worthülse“, sondern Teil der Vereinskultur, können Werte wie Chancengleichheit, Kooperation und Verantwortungsübernahme gefördert werden. Auch werden gemeinschaftliche Ziele angestrebt, wie das Gemeinschaftsgefühl, Empathie, Anteilnahme und Toleranz.

Stader und Fischer: Sie können zeigen, dass Sportvereine und -verbände eine gesellschaftliche Vorbildfunktion einnehmen können. Außerdem können sie darauf aufmerksam machen, dass auch kleine Vereine ohne große finanzielle Ressourcen etwas bewirken können. Eine wichtige Botschaft ist dabei: Jeder kann mit kleinen Schritten und im Rahmen seiner eigenen Möglichkeiten dazu beitragen, die Welt ein Stück nachhaltiger zu machen. Die Bereitschaft, sich mit eigenen Schwachstellen auseinanderzusetzen und Lösungen zu entwickeln ist ebenfalls ein Wert, der durch die N!-Charta Sport Unterzeichnerinnen und Unterzeichner vermittelt wird.

VSS: Welche Bedeutung können nachhaltige Tätigkeiten für die Vereinsgemeinschaft haben?
Wlasak:
Nachhaltige Tätigkeiten im Sportverein zeigen, dass neben dem Zweck der sportlichen Betätigung und Förderung eine Verantwortung für Gesellschaft und Umwelt übernommen wird. Dadurch können Vereine nicht nur energieeffizienter und ressourcensparender werden, sondern insbesondere auch soziale Belange, wie Fairplay, Anti-Diskriminierung und Chancengleichheit fördern. Der Verein wird zukunftsorientierter und resilienter. Die wahrgenommene Verantwortung kann mit einer Vision oder einem Leitbild unterstrichen werden und entsprechend engagierte (junge) Menschen motivieren, mitzumachen – vorausgesetzt, das Behauptete wird auch umgesetzt.

VSS: Was empfehlen Sie den Vereinen, die bereits Aspekte der Nachhaltigkeit in ihrer Tätigkeit miteinbeziehen, diese aber nicht konkret planen?
Stader und Fischer:
Das ist erstmal ein guter Anfang und in jedem Fall ein wichtiger Schritt. Wenn man das Thema noch ernsthafter angehen und verstetigen will, ist eine gewisse Planung aber sinnvoll. Sie kann dabei helfen, sich konkrete Ziele zu setzen und nach einer Weile zu überprüfen, ob man diese auch erreicht hat. Ansonsten verliert man schnell den Überblick und dann ggf. auch die Motivation. Die N!-Charta Sport kann dabei helfen, das Thema Nachhaltigkeit strategisch anzugehen, ohne viel unnötigen Aufwand betreiben zu müssen.

VSS: Viele schreckt das Thema Nachhaltigkeit vorab ab. Welchen Rat würden Sie diesen Vereinen geben?
Wlasak:
Gerade in Sportvereinen gibt es, aktuell, große Herausforderungen, die das „normale“ Tagesgeschäft, somit die Sportausübung einschränken. Wichtig ist es, sich an das Thema heranzustasten, Chancen zu sehen und abzuwägen, was sinnvoll und umsetzbar ist. Auch wenn die Umsetzung nachhaltiger Maßnahmen zwar anfangs zusätzliches Engagement benötigt, wirkt sich dieses langfristig auf eine resilientere und zukünftsfähige Vereinsentwicklung aus. Unterstützung von außen kann dabei ein wichtiges Steckenpferd sein.

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